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Der Soja-Skandal
Dienstag, den 14. Oktober 2014 um 05:42 Uhr

In Schweizer Fleisch steckt gerodeter Regenwald. Dagegen helfen auch keine Labels.

Ein kleines, frierendes Grüppchen von Interessierten hat sich an diesem Wintertag am Rheinhafen Kleinhüningen in Basel versammelt. Dieser Ort ist eine Art Lieferanteneingang der Schweizer Landwirtschaft. Hier wird es in Zehntausenden Tonnen angeliefert, das Futtergetreide und das Sojaschrot aus dem Ausland.

Ohne Importe sähe die tierische Produktion in der Schweiz anders aus. Würde man nach ökologischen Kriterien bauern und Nutztieren keine Ackerfrüchte verfüttern, würde die einheimische Milchproduktion auf 81 Prozent der heutigen Menge zusammenschrumpfen. Beim Fleisch wäre der Rückgang drastischer: Statt 44 gäbe es nur noch 21 Kilogramm inländisches Fleisch pro Kopf und Jahr. Auf den Tisch käme mehr Rind als Schwein, und das Poulet würde ganz verschwinden. So hat es die Agrarökonomin Priska Baur im Auftrag von Greenpeace Schweiz ausgerechnet.

Die Rechnung zeigt: Die offiziell so »nachhaltige« Schweizer Landwirtschaft lebt mit ihrer auf Hochleistung ausgerichteten Tierproduktion weit über den natürlichen Verhältnissen. Ohne Importe von Kraftfutter geht gar nichts. Die Hochleistungskultur hat sogar die Kuh, diese geduldige Grasfresserin, zur Sau gemacht: Im Grasland Schweiz fressen die Rindviecher von allen Nutztieren am meisten Soja. Dabei brauchen Wiederkäuer im Unterschied zu Schweinen und Geflügel eigentlich gar kein Eiweißfutter – es sei denn, man trimmt sie auf Spitzenleistung. Eigentlich geben unsere Porsche-Kühe Sojamilch.

Soja ist ein Reizthema der modernen Agrarwirtschaft. Der Eiweißträger eignet sich zwar hervorragend für die Produktion von tierischen Produkten. Gleichwohl – oder genau deshalb – hat die chinesische Ölfrucht einen miserablen Ruf. Um sie anzubauen, werden in Südamerika wertvolle Wälder und artenreiche Savannen zerstört.

Das frierende Grüppchen der Interessierten ist nach Basel gekommen, um das Corpus Delicti namens Soja in Augenschein zu nehmen. Man will es sehen, riechen, anfassen. Aber in den Basler Rheinhäfen spricht man nicht gern über Soja. Und man zeigt es offenbar auch ungern. Die Zahlen, wie viele Tonnen Sojaschrot im Basler Rheinhafen jedes Jahr angeliefert werden, hat gerade keiner zur Hand. Auch die Führung durch die Gebäulichkeiten hilft nicht weiter. Man sieht ein riesiges Solardach und durchschreitet ein leeres Silo. Die Soja aber bleibt ein Phantom.

Dabei importiert die Schweiz über eine Million Tonnen Kraftfutter pro Jahr. Soja schlägt dabei mit rund 300.000 Tonnen zu Buche. Seit 1990 hat sich der Sojaimport der Schweiz verzehnfacht. Die Soja stammt fast ausschließlich aus Brasilien. Dort wird sie, als Nischenprodukt, noch gentechnikfrei produziert. In der Schweiz befeuert sie in erster Linie Rindviehhaltung und Milchproduktion: Über 40 Prozent der Importmenge werden dafür eingesetzt. 29 Prozent der Sojaimporte landen im Schweinetrog, 26 Prozent frisst das Geflügel.

Die Sojafütterung trägt indirekt zu Milchseen und Butterberg bei, weil das Kraftfutter die Milchleistung der Kühe steigert. Und in den Schweizer Seen, Mooren und Wäldern führt der Futtermittelimport zur Überdüngung.

Der biologischen Landwirtschaft ist die Soja-Thematik ein besonders schmerzlicher Stachel im Fleisch, zelebriert man hier doch die Ökonomie der geschlossenen Kreisläufe. Fernfütterung aus Übersee passt da schlecht ins Konzept. Gegenwärtig importiert die »Knospe«-Organisation jährlich rund 13.000 Tonnen Soja – und zwar zu fast drei Vierteln aus China.

Ein unschöner Fleck im Reinheft von Bio Suisse, obwohl die chinesische Soja aus kleinbäuerlichen Betrieben stamme, wie die Organisation betont. Denn andererseits ist China ein Schwellenland, in dem ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung keine hinreichende Ernährung erhält und das immer wieder mit Lebensmittelskandalen für negative Schlagzeilen sorgt. Und es ist selbst einer der größten Sojaimporteure der Welt.

Bio Suisse ist offenbar nicht ganz wohl bei der Sache. Man will die Abhängigkeit von China jedenfalls eindämmen und sucht nach Alternativen. Dabei könnte auch das neue Donau-Soja-Projekt eine Rolle spielen. Sieben Länder – neben Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Österreich, Serbien, Slowenien und Ungarn auch die Schweiz – haben im Januar die Donau-Soja-Erklärung zur »Verbesserung der europäischen Eiweißversorgung« unterzeichnet. Sie wollen in fünf Jahren die Sojaanbaufläche in der Donauregion von einer Million auf rund fünf Millionen Hektar vergrößern. Gelöst ist damit das Problem des unbändigen Soja-Hungers allerdings nicht.